PONAPE 12/10 99
Wenn man an nicht zeitgerechte Entwertungen der Sorte II des Sammelgebietes Karolinen denkt, wie sie seit 2006 im MICHEL-Spezialkatalog erfasst sind, fällt einem vermutlich der „6/11 99“ (Entwertung vom Ersttag) und vielleicht auch der „7/12 99“ von YAP ein. Dass eine ganz ähnliche Abstempelung auch von PONAPE existiert, ist dagegen – jedenfalls bisher – nirgendwo beschrieben oder dokumentiert worden.
Dem Autor dieser Zeilen ist vor etwa einem Jahr erstmals eine Entwertung dieses Stempels mit einer beschädigten Jahreszahl „99“ aufgefallen (Abb. 1). Dass kurze Zeit später eine weitere, gleichartige Abstempelung auftauchte, erschien in dieser plötzlichen Häufung erst einmal auffällig, allerdings sind es bis heute die einzigen Abstempelungen geblieben, die registriert werden konnten.

Zur besseren Einschätzung dieser neuen Funde seien noch einmal kurz die wichtigsten typischen Kennzeichen der Sorte II-Abstempelungen von YAP vom „6/11 99“ und „7/12 99“ beschrieben:
  1. 1. Die rechte „9“ der Jahreszahl „99“ ist rechts stärker eingedrückt (Abb. 2).
  2. 2. Die Abschläge sind – dies gilt insbesondere für den 6.11., aber teilweise auch für den 7.12. – im Gegensatz zu den immer zarten und feinen, zeitgerechten Entwertungen des Jahres 1899 stärker überfärbt, aufgrund der weggequetschten und damit überstehenden Stempelfarbe kann oft der Eindruck einer unbeschädigten Jahreszahl entstehen (Abb. 3). Allerdings lässt sich dieser bei genauerem Hinsehen nicht bestätigen, denn der Verlauf der eingedrückten Stelle ist selbst bei stärkerer Einfärbung noch immer gut zu erkennen: der rechte Bogen der beschädigten Jahreszahl ist deutlich noch links und – damit zusammenhängend – die Verbindung vom Bauch der „9“ zum Fuß deutlich nach unten verschoben (Abb. 4).
  3. 3. Die Stempelfarbe der rückdatierten Abschläge ist ausnahmslos schwärzer als die der zeitgerechten Abschläge des Stempels YAP.
Bei den neu entdeckten PONAPE-Entwertungen sind beinahe dieselben Feststellungen zu machen:
  1. 1. Auch hier handelt es sich um Ersttagsentwertungen, für die zur damaligen Zeit ein höheres Sammlerinteresse bestand.
  2. 2. Die rechte „9“ der Jahreszahl ist ebenfalls – fast identisch – eingedrückt, zusätzlich zeigt die linke „9“ links eine kleine Einkerbung, die den schon beim YAP-Stempel mitunter geäußerten Verdacht zu bestätigen scheint, die komplette Jahreszahl sei mit einer Zange unsachgemäß in den Stempel eingesetzt worden (Abb. 5).
  3. 3. Für die PONAPE-Entwertungen kann im Gegensatz zu denen von YAP aufgrund von nur zwei Belegstücken leider noch keine sichere Aussage über die Einfärbung gemacht werden. Auffällige Abweichungen sind jedoch nicht zu erkennen.
Wenn man heute sicher von Rückdatierungen und Sorte II sprechen kann, so stellt sich durchaus die Frage, wie man zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Vertieft man sich aber etwas in der Literatur, so wird schnell klar, dass die obigen Feststellungen zum YAP-Stempel nur das (bisherige) Ende einer langen Kette von philatelistischen Erkenntnissen sind.

1. Erste Zweifel von Friedemann und Priwe

Die ersten Zweifel an einer zeitgerechten Entwertung werden – wenn auch erst einmal nur den „7/12 99“ betreffend – bereits im Jahre 1913 von Albert Friedemann erhoben (Philatelistische Berichte, S. 1067): Er zeigt eine erst im Mai 1900 erscheinende MiNr. 5 II mit dieser Abstempelung und spricht von größeren Mengen an rückdatierten Marken.
In einem der nächsten Berichte (ebenda, S. 1111) äußert sich Walter Priwe zum selben Thema und beschreibt das Zustandekommen der Abstempelungen: „Bei den unter Beifügung des Geldbetrages um abgestempelte Marken bittenden Sammlern befand sich ein Herr, der in Voraussicht dessen, daß die Abstempelung „99“ selten werden würde (...) bereits im Herbst 1899 gebeten hatte, seine Marken noch 1899 abzustempeln. Daß dieser Brief nun nicht 6 - 8 Wochen, sondern 15 Monate brauchen würde, (...) konnte er nicht wissen (...). Diesem Wunsche ist ohne irgendwelche Hintergedanken Ende Januar-Februar 1901 in Jap (...) entsprochen worden, und konnte entsprochen werden, weil auch die Jahreszahl 1899 noch nicht hätte zurückgeschickt werden können; man nahm für den Herrn (...) Bogen des bisherigen Vorrats (diagonaler Aufdruck) und die danach an der verlangten Satzzahl fehlenden Stücke aus der neuen Sendung (steiler Aufdruck), der Unterschied der Aufdrucksarten war ja damals noch nicht bekannt, und stempelte diese Sendung mit 7.12.99. So haben wir diese, lediglich einem unglücklichen Geschick ihren Ursprung verdankende, rückdatierte Abstempelung 7.12.99 auf steilen und diagonalen Karolinen.“
Einige Ausgaben später wiederum präzisiert Friedemann seine Behauptung der Rückdatierung aufgrund einer Sammlervorlage: Er schreibt, dass die Rückdatierung daran zu erkennen sei, dass die Entwertungen vom „7/12 99“ eine Beschädigung des unteren Stempelrings zeigen würden, die jedoch erst im Jahre 1904 auftritt, die Entwertungen – mit der offensichtlich in YAP verbliebenen Jahreszahl – also zwangsläufig erst nach Ablauf der Kursgültigkeit vorgenommen worden sein können.
Diese erstmals von Friedemann beschriebene Beschädigung ist nun leider etwas tückisch. Abb. 6 zeigt einen sehr klar ausgeprägten Verlauf des Fehlers: Der Ring ist nicht komplett unterbrochen, sondern innen nur teilweise beschädigt. Bei stärkeren, leicht überfärbten, aber auch sehr zarten, milchigen Stempelabschlägen kommen fast immer nur „unbeschädigte“ Stempelbilder zustande (bereits Priwe hat auf diese verwirrende Tatsache hingewiesen). Es scheint, als ob sich Stempel mit und ohne Beschädigung in den Jahren ab 1904 abwechseln – selbst Entwertungen vom selben Tag können völlig unterschiedlich ausfallen (Abb. 7). Wichtig an den Äußerungen von Friedemann ist deshalb auch die Feststellung, „daß die graugrünliche Stempelfarbe, welche ausnahmslos die Entwertung 7.12.99 aufweist, vom Jahre 1901 überhaupt nicht bekannt ist, wohl aber eine ganz ähnliche Stempelfarbe vom Mai 1903, ebenso vom Januar 1905.“ (ebenda, S. 1131)
Will man beiden Feststellungen und Beschreibungen Glauben schenken, so folgt als logische Konsequenz, dass es eigentlich zwei „Phasen“ von Rückdatierungen geben muss. In der ersten Phase, die lt. Priwe noch innerhalb der Kurszeit statt fand, dürfte dann der „6/11 99“ mit den typischen trocken-körnigen, mehr oder weniger überfärbten Abschlägen entstanden sein und in der zweiten Phase die graugrünlichen Rückdatierungen aus 1904 mit der Beschädigung im unteren Teil des Stempelrings.

Mit diesen Veröffentlichungen von Friedemann/Priwe sind erste Zweifel an einer zeitgerechten Verwendung des YAP-Stempels laut geworden – wobei interessanterweise nur der „7/12 99“ und der unterbrochene Stempelkreis, aber noch nicht der „6/11 99“ und die deformierte rechte „9“ Gegenstand der Erörterungen sind.

2. Auffassung von Hans Bothe

Hans Bothe hat wohl aufgrund dieser Zweifel sowie eigener weitergehender Forschung Anfang der 80er-Jahre seine Prüfpraxis umgestellt – jetzt allerdings ausdrücklich den „6/11 99“ betreffend.
In einem Schreiben heißt es: „Gerade, daß nur diese beiden Daten eine deformierte „99“ tragen hat mich in meiner Annahme einer unbefugten Rückdatierung (gemildert „Gefälligkeitsabstempelung“) gestärkt bzw. diente als Basis meiner Theorie!“ Er gibt allerdings eine andere Erklärung der Vorgänge als Priwe: „Ich vermutete immer, daß hier (wie bei den Marshall-Inseln) möglicherweise ein „Auftrag“ des Reichspostmuseums zur nachträglichen Abstempelung vorlag. Lindenberg mußte sich ja sein Postmuseum auf „krummen Wegen“ finanzieren. Hätte er seinerzeit vom Reichstag Zuwendungen an Geld für Briefmarken erbeten – dann wäre er als „unzurechnungsfähig“ in Handschellen abgeführt worden. Er mußte über Kosack „gewisse Geschäfte“ machen, die eigentlich undenkbar waren ....! Beweise für derartige „krumme Touren“ sind natürlich nie zu beschaffen, aber wenn man die damaligen Verhältnisse kennt und davon aus zuverlässiger Quelle Überlieferungen, die von Mund zu Mund übertragen wurden, besitzt, dann darf man sich auch eigene Gedanken machen und kombinieren.“

3. Feststellungen von Dr. Friedrich Steuer

Dr. Steuer äußert sich dann 1992 in den Berichten (S. 1954 ff.) zum gleichen Thema und bildet unter anderem eine Ganzsache ab, bei der es sich zwar um eine philatelistische Spielerei mit handschriftlicher Entwertung handelt, die als Ankunftsstempel jedoch eine Vor-Ersttags-Entwertung vom 5.11.99 zeigt. Dazu stellt er anschließend klar: „Wenn somit der Poststempel YAP bis 6. Dezember 1899 (heute bis 27.12.1899 – Anmerk. d. Verf.) durch Belege mit unbeschädigter Jahreszahl nachweisbar ist, so kann dieselbe nicht am 6. November bereits beschädigt gewesen sein. Daraus kann sich zwingend nur der Schluß ergeben, daß alle vorhandenen Daten YAP 6.11.99 mit beschädigter zweiter „9“ rückdatierte Nachstempelungen sein müssen.“
Dass diese Feststellung auch für die Entwertung „PONAPE 12/10 99“ gelten muss, kann mit einer fast identischen Postkarte gezeigt werden, die ebenfalls nach YAP läuft und als Ankunftsstempel wiederum die Vor-Ersttagsentwertung vom „5/11 99“ trägt: Beide Jahreszahlen sind völlig intakt und zeigen keinerlei Verformungen (Abb. 8: Ganzsache an den zukünftigen Bezirksamtmann der (West-)Karolinen Arno Senfft – ein Stück einer ganzen Reihe gleichartiger Belege, die sich die beteiligten Amtsträger und Schiffsoffiziere im Rahmen der Übernahmen der Karolinen, Palau- und Marianen-Inseln sowie Eröffnungen der jeweiligen Postämter gegenseitig geschrieben – und teils noch an Bord der „Kudat“ vor der offiziellen Eröffnung des Postamtes in YAP entwertet – haben.).

Trotz dieser zwingenden Belege gibt es aber auch eine abweichende Meinung: Dr. Wittmann ist der Auffassung, dass es sich beim „6/11 99“ von YAP nicht um eine Rückdatierung handelt (Berichte, S. 1522 f. und nochmals 4. Auflage des Friedemann-Handbuchs). Nach Auskunft Dritter, denen gegenüber er dies auch ausgesprochen hat, soll er zum damaligen Zeitpunkt noch Lagerbestände an Werten mit diagonalem Aufdruck und derartigen Abstempelungen besessen haben – was wohl auch der Grund für seine abweichende Meinung gewesen sein dürfte.

Die Parallelen zwischen den Ersttagsentwertungen von YAP und PONAPE sind offensichtlich, auch wenn sich leider für keinen der beiden Stempel der Zeitpunkt der Rückdatierung sicher nachweisen lässt. Dass diese zu verschiedenen Zeiten und vermutlich sogar aufgrund verschiedener „Aufträge“ durchgeführt worden sind, erscheint durchaus wahrscheinlich. Denn dass ein Sammler BEIDE Postagenten zum gleichen Verhalten aufgrund einer Bitte überreden kann, ist kaum vorstellbar. Dagegen scheint eine „Anweisung von oben“ schon eher denkbar.
Somit bleibt vorläufig nur festzuhalten, dass es sich bei den Ersttagsentwertungen „YAP 6/11 99“ und „PONAPE 12/10 99“ um Rückdatierungen handelt, die nicht nachweislich außerhalb der Kurszeit, sondern wohl eher vor Ablauf der Kursgültigkeit vorgenommen wurden. Für sie gilt nach Definition im MICHEL die Kategorie der Sorte II.
Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Entwertung „YAP 7/12 99“ in graugrünlich mit Beschädigung im unteren Stempelkreis – nach heutigem Kenntnisstand ab dem 31.1.1904 vorkommend (Abb. 7) – um eine nachweislich außerhalb der Kurszeit durchgeführte und somit nicht sammelwürdige Rückdatierung.

(Der Artikel erschien 2010 in „Berichte für Kolonialbriefmarkensammler“, Nr. 131, S. 3878ff.)

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