Die Innendienstmarken bei der Deutschen Post in der Türkei und Probleme der Prüfung ihrer handschriftlichen Entwertungen
Eine Briefmarke lässt sich – abgesehen von einer (teilweisen) Zerstörung der Marke wie Einreißen, Ätzen, Zerschneiden etc. – am einfachsten mittels Poststempel oder durch handschriftliche Kennzeichnung entwerten. In aller Regel sind beide Methoden ausschließlich angewandt worden (die handschriftliche Entwertung z.B bei Verlust des Poststempels o.ä.). Im vorliegenden Fall der Innendienstmarken ist eine handschriftliche Entwertung dagegen absichtlich verfügt worden (NDP-Amtsblatt 7/24/69). Auch wenn dies nicht offiziell als Begründung genannt wurde, so dürfte die Anbringung einer „individuellen“ Handschrift vor allem der Identifizierung des Beamten gedient haben, der mit der Bearbeitung der jeweiligen, in der Regel werthaltigen Sendung befasst war und der bei Problemen auf diesem Wege leichter zur Rechenschaft gezogen werden konnte.

Diese „Individualisierung“ der Entwertung ist für damalige Umstände zwar durchaus nachvollziehbar, bringt bei einer heute anstehenden Echtheitsprüfung aber gravierende Nachteile mit sich. Während es bei einer Entwertung durch Poststempel grundsätzlich keine Abweichungen zwischen den jeweiligen Abschlägen geben kann – denn entweder die Kongruenz zwischen Prüfstück und Vergleichsstück(en) ist gegeben oder eben nicht –, gibt es bei einer handschriftlichen Entwertung immer wieder mehr oder weniger leichte Abweichungen.

Wenn im Falle einer Handschrift auch die Kongruenz nicht eindeutig prüfbar ist, so lassen sich wie schon bei einer Entwertung durch Poststempel aber auch andere „weiche“ Kriterien anwenden: Posttage, Farbtönungen der verwendeten Marken oder Umfang und charakteristische Ausprägung einer Dezentrierung des Markenbilds etc.
Darüber hinaus lässt sich – neben der Kongruenzprüfung ein weiteres „hartes“ Kriterium – aber auch die Tinte wie die Stempelfarbe näher betrachten: mithilfe der Durchlichtmikroskopie kann bei entsprechend starker Vergrößerung auch die Mikrostrukur der verwendeten Tinte(n) vergleichend untersucht werden.

Während die Stempelfarbe für die Postanstalten des Deutschen Reichs zentral –--- Fußnote: Eine zentrale Lieferung ist in den Akten für das Reich zwar erst im Jahre 1889 mit der Entwicklung der sog. Hammer'schen Stempelfarbe nachgewiesen, jedoch ist davon auszugehen, dass auch schon frühere Stempelfarben zentral geliefert wurden. –----- geliefert wurde und damit für sämtliche Postanstalten identisch ist (und somit auch ein identisches Erscheinungsbild der Mikrostruktur zeigt) gibt es bei der seinerzeit verwendeten Tinte durchaus Variationen, insbesondere was das äußere Erscheinungsbild betrifft. Aber trotz dieser auf den ersten Blick vermeintlich großen Unterschiede, zeigen alle Tinten – bei entsprechend starker Vergrößerung – eine relativ einheitliche Struktur, die typisch ist und sich lediglich in der Deutlichkeit ihrer Ausprägung unterscheidet.

Die Prüfung von Handschriften lässt sich somit mit zwei Methoden durchführen:
1. durch Vergleich der Handschriften anhand charakteristischer Details
2. durch Untersuchung der Mikrostruktur der verwendeten Tinte.

Im ersten Teil dieses Vortrags soll gezeigt werden, welche Handschriften in Constantinopel verwendet wurden und – insbesondere auf der MiNr. V 26 – auch als ordnungsgemäß angesehen werden können. Im zweiten Teil werden beispielhaft verschiedene, im äußeren Erscheinungsbild stark unterschiedliche Handschriften sowie deren Mikrostruktur gezeigt und verglichen.

Verwendete Marken und Mengen
Bei der Deutschen Postagentur in Constantinopel sind drei verschiedene Marken-Ausgaben für eine Verwendung im Innendienst (Wertbriefe, Postanweisungen, Paketsendungen etc.) ausgegeben worden, die laut der bereits genannten Verfügung durch die annehmenden Schalterbeamten mit handschriftlichen Entwertungen zu versehen waren:

die MiNrn. NV 25 und NV 26 (Marken der Norddeutschen Post, ab dem 1.3.1870), die MiNrn. V 12 und V13 (Marken der Deutschen Reichspost, ab dem 1.1.1872) und die MiNr. V 37 (Marke der Deutschen Reichspost, ab dem 1.1.1875) –--- Fußnote: Die angegebenen Daten stellen nur die „offizielle“ Inkurssetzung dar, da die Marken gerade im Innnendienst nicht „termingerecht“, sondern erst nach Aufbrauch der alten Ausgabe beim jeweiligen Postamt in Verwendung genommen wurden.------

Für das geplante Postamt der Norddeutschen Post in Constantinopel ist unter dem 21.12.1869 die Zusammenstellung an Marken verfügt worden, neben den kleineren Wertstufen auch 10 Bogen des 10 Gr-Wertes (Abb. 1). Da diese Bogen 100 Marken enthielten, wurden entsprechend 1.000 Marken geliefert.
Dies dürfte eine mehr oder weniger willkürlich gewählte Menge gewesen sein, da für den Verbrauch eines exterritorialen Postamtes keine Erfahrungswerte vorliegen konnten. Dass die Lieferung offensichtlich sehr hoch ausgefallen ist, zeigt bereits der erste Bericht mit einer Verkaufsaufstellung für die Zeit vom 19.5. - 24.6.1870. Lt. dieser akribisch geführten Zusammenstellung sind beim Postamt Constantinopel genau 31 Marken verkauft worden (Abb. 2). Würde man einen gleichbleibend niedrigen Verbrauch für die nächsten Jahre annehmen, hätte dieser erste Bestand für knapp 3 Jahre gereicht. Ob jedoch aufgrund der anzunehmenden und für die spätere Zeit auch nachgewiesenen Steigerung des Postverkehrs (Abb. 3) bereits zu dieser frühen Zeit eine weitere Lieferung notwendig wurde, kann nicht bestätigt werden, da weitere Nachweise in den Akten nicht verzeichnet sind.

Im Verhältnis zu dieser relativ umfangreichen Menge sind bis heute nur wenige Marken der MiNrn. NV 25 und NV26 registriert worden, von der MiNr. NV 25 etwa 25 Werte, von der MiNr. NV 26 sogar nur ein gutes Dutzend Marken. Berücksichtigt man beim letztgenannten Wert, dass von dieser Anzahl noch etwa die Hälfte vermutlich nicht ordnungsgemäß ist, handelt sich hier sogar um wirkliche Raritäten.
Die früheste bekannte Verwendung dieser Innendienstmarken ist für den 22.4.1870 belegt (Abb. 4). Interessanterweise zeigt dies Stück eine Handschrift, die – im Gegensatz zu den folgenden drei Handschriften – bisher nur dieses eine Mal registriert worden ist.
Während die MiNr. NV 25 mehr oder weniger über den gesamten Gültigkeitszeitraum nachgewiesen ist, sind von der MiNr. NV 26 Verwendungen lediglich aus Januar und Februar 1871 bekannt. Wobei eine derart späte Verwendung nach wie vor unverständlich bleibt, denn eine Lieferung –----- Fußnote: Außer der Lieferung der Erstausstattung ist keine weitere Markenlieferung nach Konstantinopel in den Akten belegt.-------- zu diesem späten Zeitpunkt hätte wohl eher die nachfolgende Ausgabe, die MiNrn. V 12 und V 13 des Deutschen Reiches, enthalten müssen. ----- Fußnote: Die einzige Erklärung wäre, dass die Marken des Norddeutschen Postbezirks nicht vernichtet, sondern aus Sparsamkeitsgründen noch verwendet werden sollten. Ein derartiges Verfahren – also die Abgabe noch vorhandener Restbestände an ausgewählte Postämter – ist z.B. für die Krone/Adler-Ausgaben in den Akten nachgewiesen. Da es sich um Innendienstmarken handelte, hätte dies die (philatelistische) Öffentlichkeit – zumal bei einer Verwendung „im Ausland“ – ohnehin kaum zur Kenntnis nehmen können. -------

Nachgewiesene Handschriften auf den MiNrn. NV 25 und NV 26
Neben der Handschrift auf der bereits gezeigten Marke mit dem frühesten bekannten Verwendungsdatum lassen sich insgesamt 3 weitere Handschriften nachweisen, die je mehrfach belegt sind. Die nachstehenden Abbildungen zeigen alle (dem Autor) bekannten Stücke der MiNr. NV 26, die jeweiligen Handschriften werden „als Gegenprobe“ auch auf anderen Werten gezeigt.

Die Handschrift 1 ist bereits vorgestellt worden (Abb. 4).

Die Handschrift 2 ist am häufigsten registriert (Abb. 5 – als frühestes bekanntes Verwendungsdatum der MiNr. NV 26 – und (Abb. 6 – 11)

Die Handschrift 3 ist ebenfalls auf einer Reihe von Stücken belegt (Abb. 12 – 17).

Beide Handschriften zeigen eine Reihe kleinerer Abweichungen untereinander – inwieweit diese als relevant bzw. als ernst zu nehmende Zweifel an der Echtheit anzusehen sind, kann nur anhand von Abbildungen abschließend leider nicht geklärt werden.

Neben diesen drei ist noch eine vierte Handschrift belegt! Die insgesamt fünf bisher registrierten, gleichartigen Stücke sollen lt. Auktionsbeschreibung (Hobby-Höflich 16.1.1995) “zu einer großfrankatur eines kürzlich gefundenen briefteils“ gehören (Abb. 18 und 19). Auch wenn sich auf dem Briefstück noch eine NV 18 mit offenbar echter Abstempelung befindet, gibt es doch ernst zu nehmende Zweifel an der Echtheit dieser handschriftlichen Entwertung. Auf den ersten Blick fällt erst einmal auf, dass der Ortsname – entgegen der sonstigen Schreibweise – nicht getrennt wird. Ungewöhnlich ist weiterhin der Zusatz „N.P.A.“ (vermutlich für N(orddeutsche) P(ost-)A(gentur)). Es gibt zwar ein ähnliches Stück ((Abb. 20 – linke Marke)), allerdings fragt man sich hier schon, wer von wem abgeschrieben hat. Vollends fragwürdig wird die Entwertung aber durch die Tatsache, dass vom gleichen Datum eine Entwertung registriert ist ((Abb. 20 – rechte Marke)), die im Gegensatz zu den in Frage stehenden Stücken bereits mehrfach als Handschrift 2 nachgewiesen ist. Und der letzte Beweis dürfte – sofern hier nicht erneut nur abgeschrieben wurde – eine MiNr. V 13 mit einer Entwertung vom 30.5.71 sein (Abb. 21), obwohl die Marke selbst erst ab dem 1.1.1872 verausgabt wurde.

Somit lassen sich – abgesehen von der Handschrift mit dem frühesten bekannten Verwendungsdatum – insgesamt 2 Handschriften sicher nachweisen. Eine Zuordnung zu namentlich bekannten Postbeamten ist leider nicht möglich, allerdings konnte in den Akten ein Schreiben vom 15.1.1872 aufgefunden werden, in dem der Postanstalt in Constantinopel aufgrund des gestiegenen Geschäftsumfangs erst ab diesem Zeitpunkt ein dritter Beamter zugeteilt werden sollte (Abb. 22) – auch dies würde bestätigen, dass die sog. Handschrift 4 mit Sicherheit als Fälschung anzusehen ist. Allerdings würde dies auch bedeuten, dass die Handschrift 1 durchaus mit einiger Skepsis zu betrachten ist.

Entwertungen auf den MiNrn. V 12 und V 13
Für die spätere Zeit liegen verschiedenste Handschriften vor, mitunter sogar unterschiedliche Abkürzungen des Ortsnamens. Und auch hier sind Stücke zu finden, die bereits auf den ersten Blick Zweifel an der Echtheit aufkommen lassen. Die Entwertungen in Abb. 23 sehen schon aufgrund der Strichführung mehr als fragwürdig aus: die einzelnen Buchstaben scheinen einzeln (teils doppelt?) geschrieben oder zumindest scheint mehrfach angesetzt worden zu sein, von intuitiver Strichführung kann hier sicher keine Rede sein. Auch die Handschrift in (Abb. 24) scheint eher eine Imitation der Handschrift in Abb. 23 zu sein, zumindest zeigen sich deutliche Abweichungen, allein die Tinte wirkt wie ausgelaufen!

Auch andere Daten zeigen leicht unterschiedliche Ausführungen, bei denen man jedoch schwer erkennen kann, ob sie auch tatsächlich von verschiedenen Personen stammen. Während die beiden rechten Stücke in Abb. 25 fast identisch aussehen, fällt die linke, obere Handschrift sowohl durch den Strich zwischen Tages- und Monatsangabe als auch durch die „5“ auf. Auch die linke, untere Handschrift zeigt – wenn auch nur sehr geringe – Abweichungen, auffällig eigentlich nur der fehlende, waagerechte Strich zwischen den beiden „t“.

Es finden sich aber auch Entwertungen, bei denen sich die Frage stellt, ob es sich überhaupt um „Constantinopel“ handelt, die Entwertung in Abb. 26 scheint eher aus „Constan(z)“ zu stammen. Während die Handschrift in Abb. 27 wiederum völlig abwegig aussieht – sowohl hinsichtlich der Schreibweise als auch des äußeren Erscheinungsbildes.

Ungewöhnliche Handschriften kommen zwar öfter vor (Abb. 28 und 29), können aber oft genug mehrfach belegt werden – mitunter sogar mit Teilabschlägen der Stempel oder gar auf Ganzstücken; derartige Stücke sind dann – selbst wenn sie nur einmal vorliegen – in aller Regel als einwandfrei anzusehen.

Entwertungen auf der MiNr. V 37
Während anfangs die Marken typisch entwertet wurden – Marke für Marke mit charakteristischer Trennung des Ortsnamens – kommen in späterer Zeit die verschiedensten Varianten vor: „Constantinopel“ mal über zwei, drei, vier oder noch mehr ----- Fußnote: Lt. Friedemanns Berichte für Briefmarkensammler, S. 2626 mussten sehr schwere Briefe („10 und mehr kg“) „an Banken in London und Paris mit bis zu 150 Stück 2 Mark-Marken beklebt werden.“ Da diese meist kurz vor Abgang der Post aufgeliefert wurden, konnten die Marken verständlicherweise kaum mehr einzeln nach Vorschrift entwertet werden. –----- Marken (Abb. 30 – 34), mal ohne Angabe der Jahreszahl (Abb. 35 – auf Abb. 36 mit eher fragwürdiger Handschrift), mal mehrzeilig (Abb. 37).

Sogar abweichende Schreibweisen des Ortsnamen sind (wenn auch nur für die Jahre 1875/76) registriert – dass es sich hier weder um Zufall noch um einen anderen Ort handelt, beweist die Tatsache, dass verschiedene Schreibweisen vorkommen und diese auch je in mehreren Stücken und/oder auf Ganzstücken bekannt sind: Neben „Cospoli“ (Abb. 38) findet sich auch die Abkürzung „Cople“ (Abb. 39 und 40). Bei diesen Stücken und solchen mit ungewöhnlicher Schreibweise ist – im Gegensatz zu den MiNrn. V 25 und V 26 bzw. V 12 und V 13 – eher nicht von Fälschungen auszugehen, da die ungebrauchten Werte der MiNr. 37 zu dieser frühen Zeit erheblich seltener sind als gebrauchte Stücke mit handschriftlicher Entwertung „Constantinopel“.

Andere handschriftliche Entwertungen
Neben handschriftlichen Entwertungen von Constantinopel sind bei der DPTürkei noch zwei weitere Ortsnamen nachgewiesen, die jedoch nur auf der MiNr. 37 und nur von 1883 – 1887 vorkommen.
Beide Entwertungen sind ursächlich auf ein Entgegenkommen der Deutschen Post zurück zu führen. Während der Sommermonate (meist Juni – Oktober) bezog der Deutsche Botschafter in Constantinopel seinen Sommersitz erst in Büjükdere und später in Therapia (bzw. Tarabya, die ehemalige Sommerresidenz wird heute für kulturelle Veranstaltungen im Rahmen des deutsch-türkischen Dialogs genutzt), beide Orte liegen etwas außerhalb des Zentrums.
Um dem Botschafter bei der Abwicklung seiner Korrespondenzen behilflich zu sein, wurde zur postalischen Bearbeitung derselben für die Zeit kurz vor der Durchfahrt der Dampfer der Lloydlinie (denen die Post dann von einem Boot aus übergeben wurde) ein Postbediensteter abgestellt: in Büjükdere sind der Briefträger Momberg, in Therapia erst der Hamal („Träger“) Owak und später der Postschaffner Atzos ---- Fußnote: Lt. Friedemanns Berichte für Briefmarkensammler, S. 2626 soll es ein gewisser Zotos gewesen sein (sofern es sich um denselben Bediensteten gehandelt hat.). ---- im Einsatz gewesen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass über die Jahre zwar offensichtlich verschiedene Hilfskräfte der Postagentur für diesen Dienst eingesetzt wurden, die Handschriften der beiden Orte aber im wesentlichen identisch sind, sodass man eher davon ausgehen muss, dass die Entwertungen jemand anders vorgenommen hat. Denkbar wäre z.B. ein Botschaftsangehöriger, dem man wohl eher zutraute mit den höheren Nominalwerten verlässlich umzugehen (kleinere Veruntreuungen bei den Hilfskräften sind in den Akten einige Male erwähnt). Und tatsächlich lassen sich entsprechende Hinweise finden: „Es wird daher genügen, einen der Hamale des Postamts nach Bujukdere zu entsenden und die wenigen schriftlichen Arbeiten, welche bei Abfertigung der Post nöthig sind, durch einen der Kanzlei-Beamten der Botschaft wahrnehmen zu lassen. (…) Der Herr Botschafter (…) ist damit einverstanden, daß einer seiner Kanzlei-Beamten –----- Fußnote: In Abb. 45 findet sich unter der Entwertung auch der handschriftliche Namenszug „Müller“, bei dem es sich vermutlich um den Namen dieses Kanzleibediensteten handelt.---------, soweit es erforderlich ist, bei Abfertigung der Post eingreift. Die nöthige Unterweisung in diese Geschäfte wird Letzterer in nächster Zeit auf dem Postamte erhalten.“ (Schreiben des PA Constantinopel vom 9.5.1883, Abb. 41).

Dauer der Sommeraufenthalte
In der ArGe-Stempeltabelle steht unter dem ersten kleinen Einkreisstempel „Kaiserlich. Deutsch. P.A. Constantinopel“ (ohne Unterscheidungskennzeichen) als Hinweis zur Verwendung dieses Stempels „wiederverwendet in Therapia 1884 bis 1888“ (also ohne näheren Hinweis auf „Büjükdere“).
In Berichte, S. 2233 ff. hat sich bereits E. Einfeldt (unter Verwendung eines Manuskripts von Dr. von Willmann) sehr intensiv mit den Verwendungszeiten dieses Stempels in Therapia beschäftigt, in diesem Artikel wurde auch mehrfach aus den Akten zitiert, die auch von früheren Autoren offenbar schon eingesehen werden konnten. Die zitierten Schreiben konnten im Rahmen der Recherchen zu diesem Artikel in den Akten aufgefunden und die Angaben bestätigt werden. Bei dieser Durchsicht konnte jedoch noch ein weiteres Schreiben erfasst werden, welches weiter gehende Zuordnungen ermöglicht.

Zuerst einmal heißt es im schon zitierten Schreiben des PA Constantinopel vom 9.5.1883 zum Ort bzw. zum Zeitraum des Sommersitzes in Büjükdere, dass „wie in den Vorjahren (…) eine Zweigstelle des deutschen Postamtes eingerichtet werden möge“ (Abb. 42). Dies deckt sich weiterhin mit den Aussagen eines seinerzeit in Constantinopel beschäftigten Postbediensteten in Friedemanns Berichte für Briefmarkensammler, S. 2626, dass dieser „Postdienst“ für den Botschafter bereits 1880 genehmigt worden sein soll.
Der vermeintliche Widerspruch, der sich aus diesen Feststellungen und der Tatsache ergibt, dass erst im Jahre 1883 ein Botschaftsangehöriger für den Postdienst „ausgebildet“ wurde, lässt sich nur auflösen, wenn man annimmt, dass vor der Einweisung des Botschaftsbediensteten nur kleinere Arbeiten – ohne Verwendung der höheren Wertstufen oder gar der MiNr. 37 – anfielen. Zu klären wäre jedoch noch, ob der Stempel ohne Unterscheidungsbuchstabe für diesen Dienst auch schon in den Jahren 1880 – 82 verwendet wurde, was wohl nur durch entsprechende Ganzstücke mit Absenderangabe (der Deutschen Botschaft) geklärt werden kann.

In einem Schreiben vom 28.6.1885 findet sich weiterhin der Hinweis, dass die Sommerresidenz in Therapia durch den Botschafter erst im Sommer 1885 und nicht schon 1884 bezogen worden ist (Abb. 43). Aus diesen Quellen und den Arbeiten von E.Einfeldt ergibt sich somit die nachstehende Tabelle, wobei die Jahre 1880 – 82 offen bleiben müssen:
Büjükdere:„wie in den Vorjahren“
?.6.1883 – ?.10.1883
1.7.1884 – 4.10.1884
Therapia:4.7.1885 – 19.9.1885 26.6.1886 – 9.10.1886 25.6.1887 – 22.10.1887 19.6.1888 – 9.10.1888

Büjükdere und Therapia

Handschriftliche Entwertungen aus Büjükdere liegen bisher nur für das Jahr 1883 vor – die drei bisher bekannten Stücke zeigen neben dem Ortsnamen je die Datumsangabe „11/10/83“ (Abb. 44), eine ehemalige Verwendung der Stücke auf einem Brief erscheint naheliegend.

Handschriftliche Entwertungen aus „Therapia“ sind für die Jahre 1885 – 87 nachgewiesen, wobei eine solche aus 1886 bisher nur in einem Stück bekannt geworden ist (Abb. 45, 88. Köhler, 1935), während die anderen Jahre je mit etwa einem halben Dutzend Marken belegt sind. Das früheste bekannte Datum ist der „18/7/85“ (Abb. 46, 21. Dr. Wittmann 1985).
Dass die Entwertungen – wie oben bereits dargelegt – offensichtlich nicht von einem Postfachbeamten vorgenommen worden sind, zeigt auch die Tatsache, dass die Änderung in den Vorschriften zur ordnungsgemäßen Entwertung des 2 Mark-Wertes – ab dem 18.11.1884 waren diese mit Poststempel und nicht mehr handschriftlich zu entwerten – in Therapia bis auf das Jahr 1888, aus dem mehrere Abstempelungen auf der MiNr. 37 vorliegen (vgl. auch Berichte, S. 2243), keine Berücksichtigung fand, ganz im Gegensatz zu den zeitgleichen Entwertungen in Constantinopel!

Wie schon bei „Constantinopel“ kommen auch bei „Therapia“ kleine Abweichungen in der Handschrift vor, so zum Beispiel in der Schreibweise des „T“: einmal als „Schleife“ (Abb. 47) und einmal in zwei getrennten Strichen (Abb. 48, 107. Köhler 1940), die aber beide offensichtlich durch die gleiche Hand erfolgten (Abb. 49, 9. Dr. Wittmann 1979). Auch die Schreibweise über zwei Marken findet sich hier wieder (im vorliegenden Fall jedoch mit Datumsangabe je Marke).

Während der vorstehende Teil sich mit den offensichtlichen Unterschieden bzw. Ähnlichkeiten der Handschriften beschäftigt hat, um hier eine Art Echtheitsnachweis zu ermöglichen, soll im nachstehenden zweiten Teil versucht werden, die Ergebnisse einer mikroskopischen Untersuchung einiger Tinten zu zeigen, um Vergleiche hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu ermöglichen.
Um die Zweckmäßigkeit dieser Methode zu zeigen, wurden verschiedene, möglichst unterschiedlich aussehende Tinten auf Marken des Deutschen Reiches (Abb. 50) ausgewählt und mithilfe eines Durchlichtmikroskops –--Fußnote: Bei diesem Mikroskoptyp wird das zu untersuchende Objekt (meist biologische Präparate) mit einer besonders starken Lichtquelle von unten statt wie üblich von oben beleuchtet.------- untersucht. Aufgrund der bei starker Vergrößerung nur noch geringen Tiefenschärfe müssen zu Dokumentationszwecken ganze Serien von Fotos aus je minimalst abweichendem Abstand geschossen werden, die abschließend mit Hilfe des sog. Stakking-Verfahrens zu einem einzigen (Gesamt-)Bild „hochgerechnet“ werden.

Mithilfe dieses Verfahrens lässt sich zeigen, dass trotz der auf den ersten Blick völlig unterschiedlich aussehenden oberflächlichen Erscheinung, die Tinten je (fast) identische Mikrostrukturen zeigen.

Die ersten drei Fotos zeigen je einen identischen Ausschnitt der MiNr. DPT V 13 (Abb. 51) in 100-, 200- und 500-facher Vergrößerung (Abb. 52 – 54).

Das dritte Foto zeigt bereits die typische, immer mehr oder weniger deutlich erkennbare Mikrostruktur: sie ist grob vergleichbar mit der Oberflächenstruktur eines ausgetrockneten Lehmbodens, was vermutlich auf die je unterschiedlich starke Beimischung von krustenartigen Partikeln in der Tinte zurück zu führen sein dürfte (sog. Eisengallustinte), die – in Verbindung mit anderen Inhaltsstoffen – nach „Abtrocknung“ der Bindemittel zurückbleibt und dann diese eigenartigen Strukturen bildet. Dass einige der verwendeten Tinten bereits Strukturen zeigen, die schon mithilfe einer Handlupe relativ gut zu erkennen sind – hier insbesondere als mehr oder weniger deutliche Ätzspuren, die sich ins Papier zu fressen scheinen (sog. Tintenfraß) – sei nur am Rande erwähnt.

Auch die weiteren Abbildungen (erst Marke, dann dazu gehöriger vergrößerter Ausschnitt, also Abb. 55 und 56, Abb. 59 und 60, Abb. 61 und 62, Abb.63 und 64, Abb. 65 und 66, Abb. 67 und 68) zeigen identische Ausprägungen.
Als Gegenprobe lässt sich auf der Abb. 58 dagegen eine völlig andere Struktur erkennen, auch die Beimischung von blauen Pigmenten zeigt eindeutig, dass es sich bei der Entwertung der Marke auf Abb. 57 nicht um eine zeitgerecht verwendete Tinte und damit um eine echte Entwertung handeln kann.


Der vorstehende Artikel ist die schriftliche, in den Schwerpunkten leicht veränderte Fassung eines Vortrags des Autors anlässlich der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Brustschilde vom 1. - 3.10.2016 in Chorin und erschien 2017 in „Berichte für Kolonialbriefmarkensammler“, Nr. 144, S. 4647 ff.).

Verwendete Akten aus dem Bundesarchiv Berlin: Bestand R 4701, Band 16201/16202.